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Gerechtigkeit oder Rache?

Ob Claire Zachanassian nun auf wirkliche Gerechtigkeit aus war oder ob man ihr Angebot doch eher als Rache einordnen muss, das ist wohl die zentrale Frage bei «Der Besuch der alten Dame» von Friedrich Dürrenmatt. Im Schadausaal des KKThun wurde diese tragische Komödie am Freitag vom Ensemble Persona aus München wundervollauf den Punkt gebracht.

von Lavinia Trachsel, Schülerin am Gymnasium Thun

Nur zu Acht präsentierten die Schauspieler dem Publikum das Stück, dass bei Dürrenmatt mindestens 25 benannte Figuren plus Statisten hat. Man durfte während des Theaterstücks nicht nur Schauspielkunst bewundern, denn die Darsteller sangen selbst, begleitet von einer Handorgel, verschiedenste Schweizer Volkslieder, von Yannik Zürcher umgeschrieben, damit sie ins Stück passten.

Bei der Inszenierung ausserdem herausragend war der Fokus auf das Wort Gerechtigkeit, welches jedes Mal von einem Echo begleitet wurde. Der Regisseur Tobias Maehler versuchte bei diesem Stück die Komödie weiter hervorzuheben, da der Stoff als Ganzes doch eher tragisch sei, was ihm zweifellos gelang. Ausserdem wurde auch der Aktualitätsbezug ein paar Mal angedeutet, denn auch heute gibt es noch Menschen, welche sich «mit ihrer Finanzkraft eine Weltordnung leisten», wodurch das Stück aus den 1950er Jahren brandaktuell ist.

Gekleidet ist die Truppe in zauberhaftnostalgischen Kostümen von Sarah Silbermann, allesamt grau und trist, perfekt ausgewählt um Güllens prekäre finanzielle Situation zu repräsentieren. Nur die alte Dame und ihre Ehemänner trugen grelles Gelb, womit der Standesunterschied deutlich gemacht wurde. So wurde im Verlauf des Abends immer mehr Gelb in die Kostüme integriert, wodurch sich – parallel zur wachsenden Spannung über die drohende Entscheidung der Güllener, ihren Mitbürger Alfred für Geld zu töten –eine zunehmende Intensität auf der Bühne zeigte.

Neben den Kostümen waren auch das verstellbare Bühnenbild von Nikolai Kuchin und Christian Kern, welches die Schauspieler in den Szenenwechseln begleitet von Schweizer Volksmusikwiederholt umstellten, und die Toneffekte von Max Bauer, welche echter kaum hätten wirken können, hervorragend passend. Das Bühnenbild aus zweiverschiedenen Wagen konnte innerhalb weniger Augenblicke in die verschiedenen Gebäude des Dörfchens verwandelt werden. Genau das Simple war beeindruckend: So schnell fand man sich an einem komplett neuen Ort wieder.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Aufführung ein einzigartiges Erlebnis war: Obwohl die Geschichte Friedrich Dürrenmatts weitgehend unverändert blieb, verlieh die Inszenierung ihr durch originelle Gestaltung und starke Atmosphäre eine spürbar eigene Note. Zukünftige Zuschauer der Tour der Schauspieltruppe dürfen sich auf einen prächtigen Theaterabend freuen.

 

5.11.2025